Auszüge aus dem Text von Anna-Maria Ehrmann-Schindlbeck anlsässlich der Ausstellung „Farbe-Strukturen-Raum“, Malerei von Hildegard Elma und Holger Fitterer im Künstlerhaus Karlsruhe

…Holger Fitterer hat seinen Lebensschwerpunkt in Karlsruhe nur während der Studienzeit (1996-2001) gegen das Ruhrgebiet eingetauscht, und auch seine ausgedehnten Reisen und Auslandsaufenthalte bringen ihn immer wieder dort hin zurück. In seinem Werk vereinen sich ebenso Ruhe und Energie. Doch so abstrakt und geistig seine Bilder sind, so sehr sind sie auch in der Welt der Sinneseindrücke und -erfahrungen zu Hause, es sind verdichtete Erinnerungen an Farbstimmungen der Tages- und Nachtzeit, an Gesehenes in Natur und Kunstgeschichte. Mit dem bewussten Durchbrechen der Regelmäßigkeit und dem Einsatz der Diagonalen verbindet sich zudem eine Dynamik, wie wir sie in der Kraft des Wachstums, dem Wehen des Windes und schließlich in der Bewegtheit allen Lebens finden. „Das Leben ist ein Wind“ war vor zwei Jahren seine Ausstellung in Bad Wimpfen treffend überschrieben, und doch filtern diese Bilder aus dem flüchtigen Moment des Vorübergehenden eine Essenz für die Ewigkeit heraus. …

… Das Klangliche finden wir auch im Werk von Holger Fitterer. Analog zu den abstrakten Bildschöpfungen, die vor den Augen der Betrachtenden ein Eigenleben entfalten, sind auch die Bildtitel reine Kunstworte und somit Neuschöpfungen. Genauso wie die Farbenvon der Aufgabe, etwas Bestimmtes darzustellen, befreit sind, haben diese Worte keinen bestimmten Sinn. Die vollen und satten Farben können in ihren Variationsstufen von Hell-Dunkel somit die Sinne auf direktem Wege ansprechen und in ihrer Kombination Anklänge an Bekanntes aus dem Erfahrungshorizont der Rezipienten schaffen. Währenddessen entfaltet das nicht von konkreter Bedeutung besetzte Wort des Titels seinen Klang und löst bei den Betrachtenden eigene poetische Assoziationen aus. Holger Fitterers Bilder sind in Entsprechung zur Auffassung der Moderne offen und frei sowie unverwechselbar und einzigartig. Sie bieten ein reiches Terrain für den schöpferischen Rezeptionsprozess und sind so gesehen Medien der Selbsterfahrung mit einem weiten Spektrum der Möglichkeiten. Während eine bestimmte Farbkombination in einem Moment an ein Erlebnis in Landschaft, Wald, Feld und Wiese denken lässt, kann sie andere Betrachter wiederum an die Passage in einem Gemälde etwa von Claude Monet, Henri Rousseau oder Paula Modersohn-Becker erinnern.

Während Hildegard Elmas Bilder der Monochromie verschrieben sind, sind die Farben bei Holger Fitterer in jedem Bild mit einem größeren Spektrum vertreten, außerdem sorgen feine Abschattierungen für Plastizität. Damit besteht bereits eine etwas größere Nähe zur greifbaren sinnlichen Welt. In den Überschneidungen und Überlagerungen der mit breitem Pinsel gezogenen Farbbahnen entstehen konkrete Konstellationen, die sich zwischen Vorne und Hinten in der Kategorie des Räumlichen manifestieren und die sich im Bereich von Vorher und Danach auch in der Dimension des Zeitlichen bewegen. Der Künstler scheint sich die schwierige Aufgabe gestellt zu haben, wie er einzig mit der Kraft von wenig Mitteln, vor allem mit weitgehend einfachen und geraden Pinselstrichen, ein Maximum an inneren Bildern, erzählten Momenten und Vorstellungen auslösen kann. Opak oder durchscheinend, breit und flächig oder schmal und linear, einfach aber raffiniert, in jedem Falle sind die Farbbahnen mit großer Sorgfalt platziert und lassen trotz aller Kraft und Dichte eine Leichtigkeit ahnen, die Luft gibt. Die Farben treten in Beziehung zueinander, sie bilden Kontraste, erzeugen Gefühle von Spannung und Harmonie. Das Material der Acrylfarbe kommt den Kompositionen zu Hilfe, indem sie bei Beherrschung der Technik das Übereinander von Farbschichten sowie eine komplexe Staffelung der Elemente ermöglicht. Holger Fitterers Bilder lassen ein großes Wissen um die Theorie der Farbe vermuten, mit der sich bereits Johann Wolfgang von Goethe, Philip Otto Runge, Wassily Kandinsky, Johannes Itten und Paul Klee beschäftigt haben. Vor allem aber sprechen seine Gemälde von einem sehr bewussten und erfahrenen Umgang mit Farbe, deren Tönungen, Hell-Dunkel-Werten und deren Dynamik und Gewicht sowie deren Verhalten in Bezug auf andere Farben, denn all diese Aspekte befinden sich – in jedem Bild neu und anders – im fein ausbalancierten Spannungsverhältnis. Es ist eine künstlerische Arbeit, die in der Tradition der Moderne menschliche Wahrnehmung in Bezug auf Gestaltungsmittel erkundet, doch anders als in der rein wissenschaftlichen Grundlagenforschung, die rational einem Konzept folgt, schließen die Kunstwerke von Holger Fitterer Emotion, Intuition und das Unaussprechliche mit ein. Wenn Moosgrün, Himmelblau, Lindgrün und Schwarz bei „Dohm“ (2019) in eine Konstellation gebracht sind, wenn Maigrün und der Lilaton von Krokus bei „Sohm“ (2020) aufeinandertreffen oder wenn bei „Trohmen“ (2019) verschiedene Violetts etwa von Veilchen, Hyazinthe sich geheimnisvoll vor dunklem Grund abheben, dann werden Erinnerungen, Gefühle und Gedanken angestoßen. Es sind kraftvolle Bildpoesien, die dank der subtil eingesetzten Wirkkraft der Farbe die Sinne der Betrachtenden auf unnachahmliche Weise ansprechen und innere Türen öffnen. …