Auszug aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung
„Malerei“, Kunstraum 34, Stuttgart 2011
Gérard Ziegler, Kunstraum 34, Stuttgart
… Holger Fitterer knüpft an die Klassische Moderne an und führt sie inspiriert weiter. Eine Tendenz, die in der Malerei wieder spürbar ist, im positiven Sinne. Egal, ob es sich um Realismus oder Konstruktivismus handelt, die Kunstgeschichte wird erneut beleuchtet und befragt. Trends wie die neuen Wilden, die in den 80er-Jahren den Expressionismus neu heraufbeschworen haben, sind vorerst nicht in Sicht. Mein persönlicher Eindruck auf den Kunst-Messen der letzten Jahre: vieles ist dekorativ, gefällig, orientierungslos. Holger Fitterer gehört zu den wohltuenden Ausnahmen. Ihn interessiert die Natur, die in seinen Bildern allgegenwärtig ist, ohne vordergründig zu sein. Überall wo sie wuchert, reduziert er sie mit Übermalungen, die an architektonische Elemente erinnern und den Bildern Ruhe geben. Durchblicke auf Dahinter liegendes lassen in einigen Kompositionen Tiefe entstehen, in anderen Bildpartien verbergen sie eine Szenerie, die sich nur noch erahnen lässt. Assoziativ könnte es ein Verweis auf zurückgedrängte Natur sein, die in unsern Ballungsräumen immer weiter fortschreitet. Die Natur bleibt Fitterers wichtigste Inspirationsquelle, wie sein raffinierter Umgang mit Farbe und Licht zeigt. Sehr schön zu sehen in den Aquarellen, die im Mai 2011 in Italien entstanden sind. Eine Vielfalt von Grüntönen, die in jener südlichen Landschaft schon viele Maler begeistert hat, reduziert Fitterer auf Farbe und Streifen, die sich zu bewegen scheinen. Flirrendes Licht zwischen den Streifen, die dunkler und dichter werden, erinnern an die Abendstimmungen, die Farben satter erscheinen lassen, von erdigem Grün über dunkles Violett bis zu freundlichem Schwarz. Streifen sind überhaupt ein dominierendes Kompositionselement in Fitterers Malerei. Immer frei gezogen mit spürbarer Konzentration. Mal lasierend und breit, manchmal deckend schmal und dicht. Mal exakt wie die Planken eines Holzhauses oder frei und überlagernd, wie der Vorhang einer Trauerweide, die an einem idyllischen Fluss steht.Doch Realität lässt sich in Fitterers Bildern nur erahnen, er zeigt sie nicht, und genau da liegt das Geheimnis. Grosse Assoziationsräume tun sich auf, vor allem in den kleinen Formaten, die eine verdichtete Welt zeigen. Je nach Blickwinkel lässt sich eine Landschaft oder ein Stillleben assoziieren. Doch die Szenerien sind so verwischt, dass man sich beim Betrachten eine neue Brille wünscht. Man glaubt in den Farbflecken etwas Konkretes zu erkennen, doch die Brille zeigt nur, wie raffiniert die Farbe gesetzt ist – mal aus dem Dunkel heraus leuchtend, mal ins Dunkel führend. Auch die Titel, die Holger Fitterer seinen Bildern verleiht, sind reine Wortschöpfungen, von denen man meint, sie schon einmal gehört zu haben, sie aber nirgends einordnen kann. Es sind Sprach- und Klangstimmungen, die er adäquat zu den Bildern erfindet, als würde ihm die Leinwand suggerieren, wie sie genannt werden möchte. Fitterers Bilder sind sinnlich und strahlen die Ruhe und Balance aus, die er selbst ausstrahlt. Eine Malerei, die in unserer reizüberfluteten Welt gut tut. …